Mori-Ôgai-Gedenkstätte Berlin / ベルリン森鷗外記念館・ベアーテ・ヴォンデ

„Kändler-like dinner“ von H2B

H2B Kändler-like dinner

Kändler-like Dinner for Five-O

Von Friedhelm Kändler und dem Wowoismus hatte ich zuvor noch nie gehört. Eine echte Entdeckung! Die Einladung versprach optisch einen amüsanten Abend, also bin ich ihr neugierig gefolgt und sollte es nicht bereuen.
Das Feuerwerk, das da in den zwei Stunden inklusive Pause meine Lachmuskeln und meinen Geist kitzelte, war nicht nur umwerfend komisch, es war in gleicher Weise feinsinnig und mit minimalen Mitteln perfekt und stimmig in Szene gesetzt. Nun ist es keineswegs so, dass der Zuschauer mit platten Witzen berieselt wird. Nein, er muss schon hellwach und aufmerksam sein – und ist es gern! – um all die Nuancen und Feinheiten zu verfolgen.
Wenn Eva Schöngut am Anfang (Nummer 9) die Liebschaften ihres Lebens durchdekliniert – da erinnert Kändler ein wenig an Ruth Berlaus „Jedes Tier kann es“ – hat wohl so manche Zuschauerin, sofern sie nicht ihre Kindergartenliebe geheiratet hat, auch ihre Amouren und Beziehungen parallel im Kopf gecheckt und beschlossen, das künftig ein wenig humorvoller zu betrachten. Eine herrliche Herausforderung gleich anschließend „Fremde Bekannte“ von Henry Kotterba souverän vorgetragen. Eine Ode an die Schönheit der Sprache, die sogar, wenn ein oder mehrere Buchstaben völlig fehlen, verstanden und gefühlt wird. Man braucht ein paar Sekunden, um zu kapieren, dass dies ein Text mit Auslassungen ist. Schon hat das Gehirn von Perfektion auf Mitmachen umgeschaltet und versteht, mit Lachtränen feuchten Augen, sehr wohl, die weißen Flecken des Textes zu füllen und sich wie Bolle zu amüsieren an diesem ersten Sprachspiel der Inszenierung, dem viele weitere folgen, auch süffisant und lasziv, wie in Hans Webers „Schuh Bert“ mit einer an indirekter Deutlichkeit nicht sparenden knallharten Lederstiefel-Erotik. Stephanie Seiller als Dienstmädchen verwebt die einzelnen Teile des Programms zunächst leicht mit pointierten Bemerkungen, während sie die einzelnen Gänge des Dinners serviert und so die Abfolge kulinarisch versinnbildlicht. Bis sie in die Rolle der Hausfrau schlüpft, die mit Socken sortieren für „Wetten, dass?“ trainiert oder ihre Waschmaschine erotischer findet als ihr Ehegesponst. Der absolute Höhepunkt, wenn sie fast hysterisch gegen ihren Musiker-Ehemann (Martin Reiche) anschreit, der von diesem Wutanfall nichts mitbekommt und ganz romantischen Gefühlen anhangend in seiner Darbietung von „Für Elise“ am Klavier versunken ist. Die Extremversion von „Ein Ehepaar unterhält sich“ war wirklich schreiend komisch. Wie so viele andere Momente, z.B. wenn Kotterba sich mit einer Serviette für eine witzige „Predikt“ rüstet oder Eva Schöngut die Geschichte von „Dorn-rö-schen“ neu und weiter erzählt, so dass sie am Ende beim Rosenkrieg des Froschkönigs herauskommt.
Das alles hat soviel intelligenten Sprachwitz und gegen den Strich gebürstete Wortakrobatik, dass man sich als Zuschauer wünscht: „Könnte ich mir doch nur ein paar Sätze davon merken!“
Jedenfalls werde ich von nun an mit Sprache „Vor sich Tiger“ umgehen und meine berufliche „Auf-gabe“ künftig mehr im doppeldeutigen Wortsinn sehen.
Wer aus dem Alltag ausbrechen und humorvoll Kraft schöpfen möchte, der sollte sich die Vorstellung des spielfreudigen Ensembles H2Btheaterbox nicht entgehen lassen.
25.4.2015 Beate Wonde


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