Hermione von Preuschen: Künstlerin, Literatin und Weltreisende. Vom Berliner Kunstskandal mit „Mors Imperator“ bis „Yoshiwara“
Im August 1887 war ein Kunstskandal weit über Berlin hinaus in aller Munde, dem der eifrige Zeitungsleser Mori (Ôgai) Rintarô – dessen 160. Geburtstag und 100. Todestag 2022 begangen wird – in seinem Berliner Tagebuch außergewöhnlich viel Raum widmet: Dem öffentlichen Disput um das Gemälde„Mors Imperator“, für die Berliner Kunstausstellung eingereicht von einer (in der Ôgai-Forschung lange nicht identifizierten) „Frau Schmidt von Preuschen“.
Ein Vorfall, der sicher nicht ohne Wirkung auf Ôgais Engagement für eine fundierte Kunstkritik in Japan, wie auch die Förderung von Künstlerinnen und seine Tätigkeit in der Jury der Nationalen Kunstkommission blieb.
Hermione von Preuschen (1854 – 1918) – unter diesem Namen hat sie ihren Fußabdruck in der Kunst- und Literaturgeschichte hinterlassen – gilt als Begründerin des historischen Stilllebens. Zu ihrem persönlichen Netzwerk zählten neben Königshäusern auch Schriftsteller von Rang und Namen, wie z.B. Heyse, Ibsen, Sudermann, Storm, Rilke, Bjornstjerne – die Ôgai später ins Japanische übersetzte. In Berlin- Lichtenrade wurde 2009 ein Platz nach ihr benannt. In Sammelbänden findet sich ihr Name heute inmitten prominenter Vorkämpferinnen für Frauenrechte, für die Emanzipation von Künstlerinnen bzw. als Weltreisende.
In dem skandalumwobenen Werk hatte sie den Tod als eine über allem Irdischen stehende absolute Größe dargestellt, ein Totenkopf im Gewand eines Kaisers. Was künstlerisch als Allegorie auf die Vergänglichkeit von Ruhm, Macht und Liebe gedacht war, wurde von der Jury politisch als Majestätsbeleidigung ausgelegt und abgelehnt, obwohl der kränkelnde Kaiser Wilhelm I. selbst keinen Anstoß daran nahm. Von der Kritik geschmäht und von Schriftstellern unterstützt nutzte Hermione von Preuschen die plötzliche öffentliche Aufmerksamkeit zu einem mutigen, für eine Frau ihrer Zeit ungewöhnlichen Schritt: Sie mietete in der Leipziger Str. 43 Räume an, in denen sie das zurückgewiesene inmitten anderer Werke ausstellte – und erreichte Besucherrekorde!
Der Vortrag soll einerseits den Zeitgeist, den Ôgai während seiner Berliner Zeit einatmete, an einem konkreten Beispiel näher beleuchten und gleichzeitig den wechselvollen Lebensweg einer mutigen, sich stets neu erfindenden Künstlerin vorstellen, der sie in ihrer letzten Schaffensphase als Reiseschriftstellerin mehrmals in den Orient führte. 1908 und 1912 auch nach Japan, wovon ihr Roman „Yoshiwara“ (1920) und ihre ebenfalls posthum veröffentlichte Autobiografie „Roman meines Lebens – Ein Frauenleben um die Jahrhundertwende“ (1926) zeugen. Im Gästebuch Ihrer Villa Campo in Lichterfelde finde sich auch Namen von Japanern, wie z.B. die des späteren japanischen Botschafters Graf Mushakôji Kintomo (1934).
Zeit: Mittwoch 09.02.2021 um 18 Uhr
Ort: Säulensaal, Berliner Rathaus, Rathausstr. 6, 10178 Berlin
Anmeldung erforderlich unter www.djg-berlin.de/veranstaltungen