Mori-Ôgai-Gedenkstätte Berlin / ベルリン森鷗外記念館・ベアーテ・ヴォンデ

Vortrag JDG Kagoshima

Am 25. November kurz nach 15 Uhr traf ich in meiner letzten Station der Vortragsreise Kagoshima ein – mit dem Sakura-Shinkansen, den ich am liebsten mag, denn er hat breite Sessel und Holzlehnen und würde ein wenig an die Zeit des Orient-Expresses erinnern, hätte man in Japan nicht allenthalben ein Faible für Empire-artige Sitzmöbel, die irgendeinem europäischen Schloss abgekauft scheinen. Nur die tiefe Sitzfläche weist darauf hin, dass es für Japaner gefertigte Sessel sind, aus denen unsereiner schlecht wieder hoch kommt bzw. nur mit eingeschlafenen Beinen.
Von Okayama dauerte es nur 3 Stunden. Prof. Toshio Matsushita und Frau, welche die Spendenaktion für neue DA in Kagoshima und unter Ärztekreisen organisiert hatten, holten mich vom Chuo-Bahnhof ab und brachten mich ins Tokyu-REI-Hotel, in dem ich schon vor 8 Jahren untergekommen bin.
Ich hatte kaum Zeit, meine zerknitterten Sachen zu bügeln, da wurde ich schon von Matsushitas Sohn und Frau abgeholt in ein weihnachtlich geschmücktes und beleuchtetes Strand-Zentrum, wo es zahlreiche Restaurants gibt, mit bestem Blick auf die vorgelagerte Vulkaninsel Sakurajima.

Und wieder stand ich vor völlig fremden Gesichtern – jedenfalls dachte ich das, bis ich erfahren musste, dass man Menschen kaum Schlimmeres antun kann, als sich nicht mehr an sie zu erinnern. Als Spezialistin für Gedenken habe ich damit größte Schwierigkeiten, denn ich kann mich beim besten Willen nicht an alle der über 100 000 Japaner erinnern, denen ich in meiner bisherigen-Dienstzeit im „Ôgai-Schrein“ die Hand gedrückt bzw. die ich durch die MOG geführt habe.

Es war schon eine besondere Herausforderung, heute vor Leute zu sprechen, die im Wesentlichen Mitglieder der Dt.-Jap.-Gesellschaft Kagoshima waren, die MOG und Ôgai aber kaum kannten, abgesehen davon, das ich gebeten wurde, doch ab und zu den Inhalt meiner Ausführungen auf deutsch zusammenzufassen für einen Herrn, der aus dem Elsaß stammt. Zum Glück schlägt einem immer eine Welle der Sympathie entgegen und so hieß es hinterher, man hätte gar nicht gemerkt, wie schnell die 1,5 Stunden des Vortrages vorüber waren.

Anschließend gab es nachempfundenes deutsches Essen mit Schnitzel, Bier und Wein nebst Schwarzwälder-Kirschtorte. Alles im Miniatur-Format. Sieht aus wie zu Hause, schmeckt aber eher zurückhaltend.

Schon vor dem Vortrag erklangen dt. Knabenchöre mit Weihnachtsliedern. auf dem Höhepunkt des Abends wurden wir aufgefordert per Karaoke Stille Nacht, heilige Nacht bzw. Lorelei zu singen. Die Omotenashi-Atmosphäre erlaubt es nicht, den anderen den Spaß zu verderben, auch wenn man selbst glaubt, man sei im falschen Film. Wichtig ist, dass es für alle ein anregender, schöner Abend war und die Beziehungen erneuert wurden. Jedenfalls wollen alle bald nach Berlin kommen.
Ob die Hauptstadt allerdings ihrem idealisiertem Deutschland-Bild entspricht, ist fraglich.

Besondere Überraschungen warten manchmal ganz woanders. Durch den Abend führte Prof. Yamahara, „Waldwiese“ – wie er sich selbst vorstellte (eine Eselsbrücke, die mir sehr hilfreich war bei den vielen unbekannten Menschen). Er ist Germanist an der Uni Kagoshima und nicht nur Schiller-Forscher, sondern auch Kempowski-Übersetzer. Vor dessen Tod hat er ihn mehrfach besucht. Die japanische Ausgabe ist noch nicht für den Druck abgeschlossen.

Am Abend schlenderte ich noch durch das Aka-Chôchin-Kenipenrevier, das sich gleich neben dem Hotel etabliert hat, sprach mit jungen Männern über ihre Lebensvorstellungen und musste sehen, wie die Meiji-Restanration, über die viele nur wenig wissen, zu einem weiteren der eh vielen Konsum-Events verkommt. Und wenn schon Meiji-Restauration, dann erfährt man in der hiesigen Blase nur von den Persönlichkeiten und Ereignissen in Kagoshima etwas.Da eine TV-Serie über Saigo Takamori in Arbeit ist, der in Kagoshima Seppuku beging, wird die Erinnerung an ihn wohl der Kern der 150-Jahre-Gedenkens sein. Sonst wurde ich nirgendwo im Land darauf hingewiesen, hier überall.

Tja, hier in Japan ticken die Uhren eben anders. Hier gibt es auch 25.30 Uhr!

Am nächsten Tag regnete es in Strömen, wir waren alle erschöpft und verbrachten einen wunderbaren Tag im Onsen des Hotels, von wo man einen herrlichen Blick auf den Vulkan Sakuajima hat, der immer mal ein paar Raucwolken ausstieß und dessen Aktivität wir die wohltuende Wärme zu verdanken hatten. Nicht nur wir, in ganz Kagoshima gibt es durch die Vulkannähe viele Onsen. Dort, wo das Hotel auf einem Hügel steht, soll Saigo Takamori Seppuku begangen haben.
Am Flughafen dann Saigo-Takamori-Kekse u.v.a.m.

Zum Abschied luden Matsushitas mich in das japanische Restaurant meines REI-Hotels ein. Mit frischen Sushi und fröhlichen Gesprächen feierten wir unseren Abschied.


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