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Briefmarken-Freundschaft (nicht realisierte Ausstellungen)

Es gibt Menschen, die suchen händeringend nach Ideen – und solche wie mich, wie Ideen gebären wie Kaninchen Nachwuchs, immer Plan B in der Tasche haben und deren Arbeits- und Lebenszeit nicht annähernd ausreicht, um auch nur einen Bruchteil davon zu verwirklichen.

Da sich die Kartons mit Projektmaterial in meiner Wohnung langsam häufen, wird es nötig, z.B. Ausstellungen, die sich nicht mehr realisieren lassen – nicht nur weil ich bald keinen Raum, kein Büro und nicht mehr das Ladenschild MOG an der Stirn habe, es gibt auch andere Gründe dafür kreative „Rohrkrepierer“ ganz offiziell aufzugeben.

Wobei, immer wenn ich etwas offiziell aufgegeben habe, kam es durch eine Hintertür wieder herein. Z.B. als ich meine Bücher zum japanischen Theater an die Japan-Bibliothek entsorgt hatte, kam ein Anruf von Dr. Gottschewski, ob wir nicht gemeinsam ein Seminar zum japanische Musiktheater abhalten wollen – eine meiner schönsten Lehrerfahrungen an der Humboldt-Universität, wie immer außerhalb meiner offiziellen Strukturen.
Neulich wollte ich eine Dissertationskopie zum linken Theater in den 1920ern in Japan verschenken, da kam ein Anruf von der FU Theaterwissenschaft, dass sie mit mir in der MOG VA zu den Anfängen des Sprechtheaters in Japan und China veranstalten wollen.

Im Fall der Ausstellung mit den Briefmarken von Herrn Bromme hoffe ich, dass ich nicht im Alter noch zum Briefmarkensammler werde. War ich nie. In gewisser Weise sollte mich dieses Ausstellungsprojekt en passant von schlechtem Karma befreien: als Jugendliche hatte ich, um mich bei meinem Kumpels einzuschleimen, Briefmarken aus der akribischen Sammlung meines großen Bruders verschenkt. Damit er es nicht gleich merkt, immer eine aus jedem Satz…

Jedenfalls bekam ich vor etwa 3 Jahren Post von Herrn Bromme aus Zschaitz-Ottewig im Kreis Mittelsachsen. Der einstige Lehrer, nun im achten Lebensjahrzehnt, hatte seit Mitte der 1960er Jahre eine intensive Briefmarkenfreundschaft mit einem Japaner aus Nagoya, von der Regalreihen von Briefmarkenalben künden.

Alben, in denen ein Vermögen steckt, das heute niemand mehr haben will. Es ist mir nicht gelungen, die Familie des Japaners ausfindig zu machen bzw. herauszufinden, ob sich denn die Sammlung der DDR-Marken noch irgendwo in Japan befindet, wie so viele Schullehrbücher aus DDR-Zeiten oder sogar die größte Franz-Fühmann-Buchsammlung außerhalb Deutschlands!

30 Jahre Mauerfall – 30 Jahre Briefmarkenfreundschaft

Volker Bromme
OT Baderitz
Mühlweg 1
0420 Zschaitz-Ottewig
Kreis Mittelsachsen
Germany

Mr. Miyake Shozo and family
13.1-chome Kasatori-chô
Nishi-ku, Nagoya-city
Aichi-ken
4510072 JAPAN

Brommes Anliegen war der Verkauf dieser Sammlung. Da ich an Dingen wenig interessiert bin, konnte ich ihm da zunächst nicht helfen, mich interessierte die Geschichte dahinter. Ich sah die Ausstellung zum 30. Jahrestag des Mauerfalls 2019 schon vor mir, im Beiprogramm Lesung mit Jochen Schmidt, der einen herrlichen Text zu seinen Erfahrungen beim Sammeln israelischer Briefmarken in der DDR verfasst hat, über den ich seinerzeit Tränen gelacht habe.
Brommes Erfahrungen, die er mir in zahlreichen handschriftlichen Briefen schilderte, sind ähnlich, nur eben auf den Kontakt mit dem „Klassenfeind“ Japan bezogen. Auch bei ihm hat, wie bei der Gründung der MOG, das Dach des Kulturbundes der DDR zu einem Freiraum verholfen. Im Grunde war mir die Story stets wichtiger als die Marken.

Nach Kontakt mit dem Museum für Kommunikation, Philatelisten-Verband u.a. wurde mir klar, dass es mit unseren Mitteln sehr schwer ist, solche Mengen von Briefmarken überraschend und gut sichtbar auszustellen ohne Sammlungen auseinander zu reißen.

Am Ende vermittelte ich Herrn Bromme über den Umweg OAG Tokyo an einen Sammler in Hamburg, der dann das Glück hatte, das Konvolut im Sommer 2018 für 20% des Ursprungsangebots zu erwerben. Damit meinte Herr Bromme seine Sammlung in guten Händen und für mich war das Ausstellungsprojekt gestorben. So geht es Projekten, die man zu lange vor sich hinschiebt, weil eine zündende Idee fehlt bzw. ich in meiner Ausstellungsplanung eben 2 Jahre Vorlauf brauche, die ich jetzt schon gar nicht mehr habe. Irgendwann ist die Zeit darüber hinweg gegangen.

Und so kommt diese Ausstellung zumindest als Erwähnung auf den virtuellen Friedhof meiner Homepage, die ja auch keine Garantie für Bleibendes bietet, mit einem Mouseclick oder Virus gelöscht werden kann. Für mich eine virtuelle, chronologische Gedankenstütze, die ich bei der Vielfalt meiner Aktivitäten längst brauche.

Hier eine Zufallsauswahl von Seiten der Sammlung. In Hinblick auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokyo sollten Sport und Olympia einen Schwerpunkt bilden. Die ersten Marken stammen von der Olympiade in Tokyo 1964 – damals haben meine Japanisch-Lehrerin Eiko Saito-Berndt und mein Professor Jürgen Berndt sich als Dolmetscher kennengelernt. Man hätte einen großen Zeitstrahl eröffnen können.


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