Fliegende Fische 飛ぶ魚 — Fotoausstellung
Fliegende Fische 飛ぶ魚
Japan-Fotografien von Patricia Escriche
www.studiopatori.com
12. Oktober 2017 – 23. März 2018
Mori-Ôgai-Gedenkstätte
Luisenstraße 39
10117 Berlin
Vernissage 12. Oktober 2017, 18 Uhr
Patricia Escriche
wurde 1983 auf Ibiza, Spanien, geboren. Nach dem Abschluss ihres Studiums zog sie 2006 nach Berlin. Seither setzt sie sich intensiv mit dem Medium Fotografie auseinander. 2013 veröffentlichte sie ihr erstes Künstlerbuch Desvelos im Selbstverlag. Sie arbeitet als freie Fotografin in Berlin. Einblicke in ihre bisherigen Arbeiten und Ausstellungen findet man unter: www.patriciaescriche.com.
Bei zwei Japan-Reisen im Frühling 2013 und 2014 spürt Patricia Escriche über das Auge der Kamera ihrer Nähe und Faszination für das ferne Land nach, versucht in einer Bilderfolge aus Momentaufnahmen, hinter denen sich einzelne, vom Betrachter weiter zu erzählende Geschichten verbergen, ihre eigene Verwandlung und Verbundenheit zu ergründen, ausgelöst durch die Begegnung, durch die Nähe zu den Menschen und Landschaften vor Ort.
José Juan Tablada (1871-1945) ist fast ein Zeitgenosse Mori Ôgais (1862-1922). Der Orientalist und Diplomat Tablada ist nicht nur derjenige, der das Haiku in Mexiko – und damit der spanischsprachigen Welt – vorgestellt hat, er gilt auch als erster Haiku-Dichter außerhalb Japans. 1900 weilte er mehrere Monate in Japan. Der Titel der Ausstellung geht auf einen Vers Tabladas zurück, der die Fotografin auf ihren Reisen begleitete:
Fliegende Fische / aus dem Buch „El jarro de flores“ (Die Blumenvase, 1919)
Peces voladores
Al golpe del oro solar
estalla en astillas el vidrio del mar
Fliegende Fische
Beim Schlag des Sonnengolds
zerspringt in Splitter das Meeresglas
展示『飛ぶ魚』
パトリチア・エスクリチェによる日本の写真
2017年10月12日〜2017年3月23日
ベルリン森鷗外記念館
ルイーゼン通り39番
10117 ベルリン
開会式 2017年10月12日 18時より
パトリチア・エスクリチェ (Patricia Escriche)
1983年、スペイン・イビザに生まれる。学士取得後、2006年にベルリンへ渡り、以来写真というメディアに携わる。2013年には初のアートブック『Desvelos』を自費出版する。現在はベルリンでフリーランス写真家として活躍中。これまでの作品はHP上から観覧可能。
http://www.patriciaescriche.com/
2013年・14年春の二度の日本旅行の際、パトリチア・エスクリチェはカメラの眼を通じて、遠い国日本の魅力、そして親密さを感じたといいます。現地での出会い、人や風景へ近づくことから触発された、自分の中の変化や愛着というものを掘り下げるために、彼女は刹那の瞬間を写真に収めますが、これら写真の一つ一つには、観る者が自分の物語を投射できるような物語が隠れているのです。
「私の作品は内的必然性に従うものであって、固定的なモチーフではなく、移ろいやすい瞬間をつかみ取ろうとするものです。
ここに展示されている作品は、2013年、2014年の日本旅行の際に撮られた写真ですが、私にとってこの旅は未だ終わっていません。2013年の春に初めて日本を訪れ5週間滞在しましたが、ベルリンへ帰ってきて直に、またあの国へ行きたいという思いに駆られました。この滞在で私に何が起きたのか、深く掘り下げたかったのです。幸運にもまた次の春には、日本を再訪する機会に恵まれました…
旅を通じて、東京を超えて四国や九州の田舎町にも足を運びました。尾道の漁村、別府温泉、それに小浜などの地方都市がとても気に入りました。そして、現地の日本人と交流することで、ものごとが自明になってきたのです。私の写真は眼を通じたコミュニケーションなのだと。写真を観る者は誰でも、自分の眼を通して対話を続けられるのです。
写真は単なる記録ではありません。一つ一つの写真からは橋梁が成り立ち、それは私の心と現地の人、風景を結びつける架け橋になります。写真は一枚ごとが旅であり、それぞれの物語を語るのです。作品は大多数がアナログの白黒ですが、色によって感情がより深く表現される場合には色も用いました。」
ホセ・フアン・タブラダ(1871-1945)は、ロマン派の詩歌の初の邦訳を手がけた森鷗外とほぼ同時代人です。東洋学者であり外交官でもあったタブラダは俳句をメキシコへ、そしてそれを通じて広くスペイン語圏へ紹介したのみならず、日本国外における初の俳人であったとも言われます。1900年には数ヶ月の日本滞在もしています。展示のタイトルにはタブラダの詩が用いられていますが、これは、写真家エスクリチェが旅の道中に彼の詩に導かれたことに由来しています。
飛ぶ魚/『El jarro de flores(花瓶)』より
飛ぶ魚
太陽の黄金に打ちつけられ
海のガラスの破片に砕ける
Rede zur Eröffnung:
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie auf das Herzlichste zur heutigen Vernissage der Ausstellung „Fliegende Fische“ und freue mich, Ihnen mit der die Fotografin Patricia Escriche eine außergewöhnliche Künstlerin vorzustellen zu können. Wir hatten ein „Zimmer frei“ an diesem Ort der Begegnung Asien-Europa, sind eine vorübergehende WG eingegangen und sie hat diesen Raum mit ihrer einzigartigen Aura verwandelt.
Ich bin vorhin gefragt worden, was denn eine spanische Fotografin mit einer Einrichtung für einen längst verstorbenen japanischen Mediziner, Literaten und Übersetzer zu tun hat? – Mehr als man denkt!
Beide beweg(t)en sich produktiv und kreativ zwischen den Kulturen. Mori Ôgai (1862-1922), der als Militärarzt 1884-88 in Deutschland weilte, war die Auseinandersetzung mit dem Fremdem, das Übersetzen der Kulturen, die Suche nach einer kreativen Symbiose ein lebenslanges Thema. Sein schon frühes Nachdenken über Fragen der Identität in einer sich modernisierenden Welt, seine Suche nach Verwandlung, auf die Sie im Flur aufmerksam geworden sind, bringt das Zitat aus seiner Berliner Novelle „Das Ballettmädchen“ auf den Punkt
Gewiss bin ich,
der ich jetzt in den Osten zurückkehre,
nicht mehr derselbe,
der vor Jahren über das Meer
gen Westen reiste
Für Patricia Escriche gilt das in umgekehrter Himmelsrichtung. Sie stammt aus Spanien, wurde 1983 in Ibiza geboren und verlegte 2006 ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin, wo sie sehr bald entschied, nicht länger als Juristin zu arbeiten und dem inneren Drang nachzugeben, sich ganz der Fotografie zu widmen. Sie hat auf der Suche nach sich selbst bei ihren zwei Japan-Reisen 2013 und 2014 (von Tokyo über Shikoku bis in den Süden von Kyushu) eine tiefgreifende Verwandlung erfahren in der Begegnung mit der japanischen Kultur im weitesten Sinne, der sie mit dem Auge der Kamera nachspürt. Eine sanfte Metamorphose, die anhält und die sicher bei den bereits geplanten weiteren Erkundungen im fernen Inselland weitere Tiefe erhalten wird.
Ich bin mir dessen so sicher, weil, wie Sie selbst sehen können, sich hinter dem lapidaren Untertitel „Japan-Fotografien“ alles andere als eine Touristenperspektive verbirgt. Diesen Arbeiten geht eine langjährige Auseinandersetzung mit der eigenen Faszination für dieses Land, seine Kultur voraus, eine intensive Vorbereitung. Angeregt durch ihren Vater kam sie zum Kampfsport und betrieb – man möchte es nicht glauben, wenn man diese zarte Frau anschaut – schon als Schülerin Karate. Um sich mit Japanern vor Ort verständigen zu können, begann sie Japanisch zu lernen, Bücher zu lesen… Denn wichtig sind ihr die Menschen, die Begegnungen und vor allem das Zusammensein mit Freunden, die Esskultur, der einzigartige Humor der älteren Menschen, die sie auf ihren Reisen z.B. in kleinen Fischerdörfern kennen gelernt hat und in deren Leben sie sich hineinzuversetzen suchte. Sie sagt selbst: „Japan, das ist für mich eine Reise, die kein Ende hat.“
Dass sie einen sensiblen Blick für das Besondere hat, wurde mir bestätigt, als ich unlängst Besuch von einer kleinen Ärzte-Gruppe aus Kagoshima hatte. Ich zeigte ihnen das Titelmotiv auf den Postern und Postkarten der Ausstellung und fragte sie, wo sich dieser geheimnisvolle Ort denn befindet mit den Escher-artigen Treppen, bei denen man nicht weiß, ob sie hinauf oder herab führen? Schließlich liegt die Vulkaninsel „Sakurajima“ doch vor Kagoshima. Meine Gäste zuckten die Schultern. Sie hatten diesen Ort noch nie gesehen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass auch Japaner hier in Berlin über die Wahrnehmung von Particia Escriche Neues entdecken können.
Kennengelernt haben wir uns übrigens auf Empfehlung anderer – der wohl beste Weg: Wir suchten eine Profi-Fotografin, die unsere neue Dauerausstellung dokumentiert – sie erfuhr von ihren japanischen Freunden, dass ein Besuch in der Mori-Ôgai-Gedenkstätte für einen in Berlin weilenden Japaner ein MUSS ist. Während der gemeinsamen Arbeit kamen wir auf Japan zu sprechen, tauchten unsere Koordinaten aus, und dann kam es zu der bislang schnellsten Entscheidung für eine Ausstellung in der Geschichte dieser Einrichtung. Ich sah die Japan-Fotografien von Patricia Escriche auf ihrer Homepage, schickte den link an meinen Kollegen und wiss. Leiter Dr. Harald Salomon mit der kurzen Bemerkung: „Die möchte ich ausstellen!“ Die Antwort kam umgehend: „Unbedingt!“, eine Entscheidung so schnell wie zwei Mouseclicks!
Denn uns beide hatte sofort das Rätselhafte, Offene in den Bann gezogen. Es ist Japan, was man da auf den Fotos sieht, und doch ist es nicht das herkömmliche Japan, das man von Journalen und Glanzpostkarten kennt. Es ist ein anderes Japan, es sind für die Ewigkeit festgehaltene fragile Momente. Fotografien, die Geschichten in sich bergen, Geschichten ohne Ende. Wenn Sie wissen wollen, wie diese Geschichten begonnen haben, was alles in den Moment einer solche Aufnahmen einfließt, dann haben sie heute bei dieser Vernissage Gelegenheit, die Künstlerin zu befragen. Sie selbst ist der Meinung, man müsse ihre Motive und Umstände nicht kennen. Wichtig ist, dass der Betrachter sich auf das Ungewöhnliche, Rätselhafte einlässt, sich zu diesen einzigartigen Momenten in Beziehung setzt und seine eigene Geschichte daraus für sich weiter erzählt.
Eine Vernissage ist für uns nicht nur ein Anlass, andere Besucherschichten an unseren „verborgenen Ort“, „Geheimtipp“, „Kleinod“ zu locken. Ein solcher Abend ist auch eine gute Gelegenheit, einmal andere Facetten unseres genius loci vorzustellen, für die in der Dauerausstellung kein Platz ist. Z.B. die Frage zu erörtern:
Welche Beziehung hatte der Japaner Mori Ôgai denn umgekehrt zu Spanien?
In seinem „Deutschlandtagebuch 1884-88“ finden wir in der Dresdener Zeit am 24. November 1885 den Eintrag:
„Es hat zum ersten Mal geschneit. Ab heute werde ich bei dem Arzt Wilke Spanisch lernen.“ Der Militärarzt Wilke galt als Sprachgenie, beherrschte noch einige andere Fremdsprachen. Ein anderer Freund und Kollege der Deutschlandzeit, der Spanier Pena y Fernandes führt den jungen Ogai in die spanische Literatur ein. Er kauft sich die 6-bändige Reclam-Ausgabe der Werke Calderóns, die er in deutscher Sprache mit großem Interesse liest. Nur wenige Monate später, am 14.3.1886, erlebt er im Münchener Residenztheater dessen „La dama duende“, woraufhin er sich zum Kauf des Buches „Die spanische Nationalliteratur“ von Ernst Dolm entschließt. Nach der Rückkehr in die Heimat übersetzt er mit seinem Bruder, dem Theatermann Miki Takeji, 1889 als erstes Theaterstück Calderóns „El alcalde de Zalamea“ (Der Richter von Zalamea) aus dem Deutschen, unter Zuhilfenahme des spanischen Originals und des spanischen Wörterbuches. Er verwandelte, 20 Jahre bevor erste Werke des europäischen Sprechtheaters in Japan aufgeführt werden konnten, das dreiaktige Stück in ein Drama mit 62 Szenen, wie es für das Jôruri im Kabuki oder Bunraku geeignet ist, mit dem poetischen Titel Shirabe wa takashi gitarura no hitofushi (etwa: Lied für eine hochgestimmte Gitarre).
Bleiben wir noch ein wenig bei unserer Beschäftigung mit Japan als interkulturell arbeitende Einrichtung der Humboldt-Universität. Unabdingbare Grundvoraussetzung für unsere Arbeit ist die Fähigkeit zu verstehen und zu übersetzen, nicht in Bilder, sondern in Sprache. Alle Texte hier sind (mindestens) zweisprachig.
Als Patricia Escriche uns als Titel für die Ausstellung „Fliegende Fische/Tobu sakana 飛ぶ魚“ vorschlug, stutze ich sogleich. Nicht nur, weil jedem aus der DDR stammenden Menschen der Song „Fliegender Fisch“ von Silly oder in der Version von Gundermann geläufig ist. Die korrekte Übersetzung für die Gattung der Fliegenden Fische wäre im Japanischen nämlich „Tobiuo“. Von weniger kunstinteressierten Kollegen würde ich sofort auf den Fehler hingewiesen werden. Aber schauen Sie sich das große Foto an mit den glänzend im Raum schwebenden Fischen: das sind Fische, die aussehen, als würden sie fliegen, eben Tobu sakana, auch wenn es den Begriff im Japanischen eigentlich nicht gibt.
„Fliegende Fische“ – der Titel der Ausstellung ist einem Gedicht aus dem Buch El ramo de flores (Die Blumenvase) von José Juan Tablada (1871-1945) entlehnt, das die Fotografin auf ihren Japan-Reisen begleitete. Tablada ist fast ein Zeitgenosse Mori Ôgais. Der Orientalist und Diplomat Tablada ist nicht nur derjenige, der das Haiku in Mexiko – und damit der spanischsprachigen Welt – vorgestellt hat, er gilt auch als erster Haiku-Dichter außerhalb Japans. 1900 weilte er mehrere Monate in Japan.
Peces voladores
Al golpe del oro solar
estalla en astillas el vidrio del mar
Fliegende Fische
Beim Schlag des Sonnengolds
zerspringt in Splitter das Meeresglas
Zuguterletzt möchte ich nicht versäumen, mich ganz herzlich bei Frank Merten zu bedanken, ohne dessen künstlerischen Blick und tatkräftige Hilfe hier keine Ausstellungen zustande kämen. Auch bei Matthias Richter von der Fotogalerie imago, der uns mit Rahmen in Sonderformaten aushalf. Und nicht zu vergessen meine beiden japanischen Assistentinnen Ruri Kawanami und Noriko Fujimura für die Erstellung der japanischen Texte.
Ich wünsche uns allen noch einen anregenden Abend mit intensivem Gedankenaustausch. Bitte erzählen Sie ihren Freunden und Bekannten von dieser besonderen Ausstellung und schauen Sie ab und zu vorbei, was es Neues im Programm der Mori-Ôgai-Gedenkstätte gibt.
Berlin, den 12. Oktober 2017 Beate Wonde
Mori-Ôgai-Gedenkstätte | Patricia Escriche »Fliegende Fische / Flying Fishes / 飛ぶ魚«
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