Ô-gai – Kalligraphiewettbewerb zur Gestaltung der Hauswand
12.10.2004 bis Sommer 2005
Im Jahr 2004 beging die Mori-Ôgai-Gedenkstätte ihr zwanzigjähriges Bestehen, gleichzeitig protestierten die Studenten öffentlich gegen eine geplante Abwicklung der Japanologie. Im Vorjahr war die Hauswand des Gebäudes Luisenstraße 39/Marienstr. 32 nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten und in frischer Farbe erneuert worden. Schon damals hatte ich den Verwalter des Hauses gebeten, uns den Rahmen an der Hauswand für die Außenwerbung zu reservieren, damit Gäste uns im 1. Stock finden. In dieser äußerst angespannten Situation hatte ich die Idee, einen Kalligraphie-Wettbewerb auszuloben mit nur zwei Zeichen: Ô – gai, dem meistgebrauchten Pseudonym unseres spirtis loci. Ziel war die Gestaltung der Hauswand mit den Namenszeichen des Dichters und Arztes Mori Rintarô, der als Mori Ôgai in die Literaturgeschichte seines Landes einging, unter einem Namen, der Sehnsucht nach Freiheit und Authentizität symbolisiert und das Lebensgefühl vieler Menschen nicht nur der japanischen Moderne verkörpert. Selbst das staatliche japanische Fernsehen NHK gab diesen Aufruf weiter. Einhundertzwanzig Kalligraphen aus Japan und Europa im Alter von neun bis zweiundneunzig Jahren beteiligten sich mit ungefähr einhundertfünfzig Arbeiten.
Von Herbst 2004 bis Ende August 2005 waren die Kalligraphien neun Monate lang in der Gedenkstätte in allen Räumen ausgestellt. Die Stringenz der Thematik – lediglich zwei Schriftzeichen – ermöglichte einen ungewöhnlichen Einblick in die Vielfalt der Sichtweisen auf den Dichter und das Spektrum der kalligraphischen Stile.
Neun Monate lang hatten Besucher der Gedenkstätte sich in einer Umfrage für die Arbeiten von:
Herrn KANNO Keiun
und Frau MIYAZAWA Mayumi
entschieden. Sie erhielten einen Publikumspreis.
Am 17. Februar 2005, Mori Ôgais Geburtstag, entschied eine Jury über:
a) die künstlerisch wertvollste Kalligraphie, die auf die Hauswand projiziert werden kann. Die Wahl fiel auf die Arbeit von Frau YOSHIMI Shôkô aus Saitama.
b) über die künstlerisch wertvollste Kalligraphie, die aus praktischen Gründen nicht zur Projektion vorgesehen werden kann. Hier wurde die Arbeit von Frau MARUYAMA Michio ausgewählt.
Mit Unterstützung der Technischen Abteilung der Humboldt-Universität wurden die Schriftzüge der Kalligraphie von Frau YOSHIMI auf die Hauswand übertragen (Kosten etwa 5000 Euro).
Heute kennt jeder, der mit der Bahn Richtung Friedrichstraße fährt dieses für wenige Sekunden vor den Augen aufblitzende Symbol. Darüber hinaus ist die Hauswand mit der Kalligraphie das im Internet am häufigsten wiedergegebene Bildwerk zu Ôgai.
Zwei Zeichen als Symbol deutsch-japanischer Beziehungen
Artikel aus dem Museumsjournal April/2005
Geijutsu hyakka/芸術百家 — The Gaceful Collection. Japanese Gold Artists Book Vol. 19 spring 2005,S. 64-96 (mit Abbildungen der von Arts Communication eingesandten Arbeiten bekannter japanischer Kalligraphen)