Mori-Ôgai-Gedenkstätte Berlin / ベルリン森鷗外記念館・ベアーテ・ヴォンデ

Robert Koch in Japan 1908

12.6. bis 21.11.2008

Die Ausstellung ging nach Ablauf an das Robert-Koch-Institut Berlin, wo sie bis 2012 gezeigt wurde.

Robert-Koch-Museum der Humboldt-Universität
Robert-Koch-Museum der Humboldt-Universität
Foto der Ausstellung - Koch vor dem großen Buddah
Foto der Ausstellung – Koch vor dem großen Buddha in Kamakura

Robert Koch in Japan, 1908

Robert Koch – der Name verbindet sich normalerweise nicht mit dem Bild eines weißhaarigen Mannes im Kimono. Seine wissenschaftlichen Verdienste sind so vielfältig, dass sein 74tägiger Japanaufenthalt in Biografien kaum Erwähnung findet. Wissenschaftsgeschichtlich ist dieser Besuch tatsächlich bedeutungslos, am Anfang eher eine Fund-raising-tour. Koch war 64 Jahre, als er auf dem Rückweg von einer Amerika-Reise, wo er von Andrew Carnegie eine bedeutende Spende für die im Vorjahr gegründete Robert-Koch-Stiftung entgegengenommen hatte, am 12. Juni 1908 in Japan eintraf; er litt seit Jahren an Angina pectoris. Sein Lebenswerk, das im Institut für Infektionskrankheiten, in der Stiftung und seinen Schülern weiterleben sollte, hatte er 2 Jahre vor seinem Tod unermüdlich forschend weitestgehend vollendet. Vorgesehen war ein Erholungsaufenthalt und ein Wiedersehen bei seinem Freund und japanischen Schüler Kitasato Shibasaburo (1853-1931), dessen Heimatland Koch, und vor allem seine nahezu 30 Jahre jüngere Künstler-Gattin Hedwig, näher kennen lernen wollten.
Nicht einmal die deutsche Botschaft war zunächst von dem Besuch informiert. Am 16. Juni übermittelt der deutsche Botschafter v. Mumm dem Fürsten v. Bülow in Berlin:

„Am 12.d.M. ist der Wirkliche Geheime Rat, Professor Dr. Robert Koch mit seiner Gemahlin, von Honolulu kommend, mit dem Pacific Mail Dampfer Siberia in Yokohama eingetroffen. Professor Koch’s bevorstehende Ankunft war mir, da er eigentlich ganz privatim hatte reisen wollen, weder amtlich, noch von ihm persönlich signalisiert worden, doch hatte Koch’s früherer Schüler, der Königlich Preussische Professor Kitasato, schon seit Wochen Sorge
dafür getragen, dass die bevorstehende Ankunft des berühmten Gelehrten dem grossen Publikum durch die Presse Tag für Tag bekannt gemacht würde.“
Wie, das beschreibt er am 26. Juni wie folgt: „In der japanischen Presse hat Professor Koch geradezu begeisterte Würdigung gefunden. Die ‚Hochi Shimbun’ brachte am Tage seiner Ankunft nebst seinem Bildnisse sogar einen deutschen Begrüssungsartikel. Die ‚Chuo’ spricht die Hoffnung aus, dass der berühmte Gelehrte auch Gelegenheit nehmen werde, die Japan eigentümlichen Krankheiten, namentlich Kakke (Beri-Beri), zu studieren. Nicht nur Japan sondern die ganze medizinische Welt würde ihm für Forschungen auf diesem Gebiet Dank wissen. Die ‚Jiji’ feierte ihn als einen Wohltäter der Menschheit, dessen Entdeckungen auch Japan zu gute kämen, und die ‚Yamato Shimbun’ geht schliesslich soweit zu sagen, ‚dass es wohl keine Übertreibung wäre, Koch mit den grössten Männern der Weltgeschichte, Christus, Buddha und Konfuzius, zu vergleichen.’“

Was als Privatbesuch bei einem Freund gedacht war, wurde zum Triumpfzug. Schon bei seiner Ankunft in Yokohama waren alle Straßen mit deutschen Flaggen geschmückt, auf jedem Bahnhof, an dem Kochs Zug fortan Halt machte, hatten sich Hunderte, Tausende von Menschen versammelt. Nie wieder ist ein Deutscher in Japan so enthusiastisch empfangen worden, vom normalen Bürger über die Ärzteschaft, höchste Regierungsvertreter bis hin zum Tenno. Auch Albert Einstein nicht. Selbst ein Schriftsteller wie Natsume Sôseki, der mit Medizin nicht das Geringste zu tun hatte, vermerkt Kochs Ankunft in seinem Tagebuch. Das im Robert-Koch-Museum aufbewahrte Fotoalbum mit den Konterfeis der 621 Japaner, die sich als direkte oder indirekte Schüler Kochs betrachteten, spricht neben der umfangreichen Visitenkartensammlung für sich.

Die Hoffnung, durch den Besuch des Entdeckers des Cholera- und Tuberkulose-Erregers auch den Ursachen der Beriberi näher zu kommen, hat sich nicht erfüllt. Ôgai, 1908 gerade zum Leiter der Beriberi-Studienkommission ernannt, suchte ihn mit anderen zu einer Befragung extra im Hotel auf. Doch Koch war geistig noch bei seinen Forschungen über die Schlafkrankheit in Afrika, über die er in der Ueno-Musikschule seinen Festvortrag hielt. Mit Beriberi hat er sich nie befasst. Es handelt sich dabei um eine ausschließlich in Asien vorkommende, wie von japanischen Forschern in den 1960er Jahren nachgewiesen durch Schimmelpilze, die das Mykotoxin Citreoviridin bilden, verursachte Krankheit. Dass Beriberi auf VitaminB1-Mangel (Thiamin) beruht, ist eine längst überholte These, an die auch der Holländer Christiaan Eijkman nicht recht glaubte, weshalb er vorzog, seiner Nobelpreisverleihung für die Entdeckung des Vitamins 1929 fern zu bleiben.

Koch wurden persönlich und stellvertretend alle Ehrungen zuteil für den ernormen Anteil, den die deutsche Medizin am Aufbau eines Gesundheitssystems, von medizinischer Forschung und Lehre in Japan seit den 1870ern hatte – wenngleich sich dies zu einem Zeitpunkt zutrug, als sich die japanische Medizin längst emanzipiert hatte.
Im Gegensatz zu den diplomatischen Floskeln stand es um die Beziehungen zwischen Japan und Deutschland 1908, also sechs Jahre vor Ausbruch des I. Weltkrieges, nicht zum Besten. Im ostasiatischen Raum konkurrierten beide Länder längst um Einflusssphären. Die Äußerungen des deutschen Kaisers zur „gelben Gefahr“ waren in Japan aufmerksam registriert worden.
Der Besuch des großen Wissenschaftlers lenkte die Aufmerksamkeit vorübergehend auf das Verbindende, so dass laut Botschafter v. Mumm „der hiesige grossartige Empfang Professor Koch’s der deutschen Sache in Japan zweifelsohne genützt hat“.
Die Agenda seiner Empfänge, Reisen und Besichtigungen in Japan ist lang. Der Kaiser von Japan überreichte ihm in einer Audienz eine silberne Schale. Für eine Kabuki-Theatervorstellung zu Ehren von Prof. Koch übersetzte Mori Ogai – damals bereits Generalstabsarzt des japanischen Heeres – das Programmheft für seinen Berliner Lehrer ins Deutsche.
In den letzten drei Wochen unternahm Koch in Begleitung von Kitasato eine Reise in die westlichen Teile der Hauptinsel, bei der ihm in fast allen größeren Städten, insbesondere in Nagoya, Kyoto, Osaka und Kobe, weitere großartige Ehrungen durch die japanische Ärzteschaft zuteil wurden.
Nicht alle deutschen und ausländischen Ärzte wurden so auf Händen getragen wie Koch, den man in Karikaturen mit dem Yakushi nyôrai, dem Buddha der Heilkunde verglich. Es gab auch eine Reihe sehr kritischer Äußerungen, deren Aufarbeitung noch aussteht.
Am Vorabend seiner Abreise von Tokio gab der Präsident der japanischen Staatsbank ein größeres Abschiedsdinner in japanischem Stil, bei dem Koch und seine Frau in japanischer Kleidung erschienen.
Am 24. August verließ Koch Japan, eher als beabsichtigt, um auf Weisung des deutschen Kaisers am Internationalen Kongress für Tuberkulose in Washington teilzunehmen.
V. Mumm stellt abschließend fest: “Es sind ihm hier Ehrungen zuteil geworden, wie er sie in dieser Allgemeinheit kaum anderweitig erfahren haben dürfte. Er hat hier zweifellos viele Herzen gewonnen, wozu seine und seiner Gemahlin Japan-Begeisterung nicht wenig beigetragen haben dürfte. Man darf annehmen, dass ein Besuch den Einfluss der deutschen medizinischen Wissenschaft in Japan von neuem belebt hat. Eine günstige Mitwirkung auf Japans politische Stellung uns gegenüber ist indessen wohl kaum von dem Besuche zu erwarten, da die Japaner längst gelernt haben, Politik und Dankbarkeit für wissenschaftliche Unterweisung auseinander zu halten.“

Am liebsten hielt Koch sich in Kamakura auf und genoss den Blick auf das Meer bzw. die Insel Enoshima. Aus Sorge um Kochs Gesundheit – er hatte auf der Reise einen Herzanfall erlitten – überredete Kitasato die japanische Haushaltsgehilfin Hana, das Ehepaar nach Deutschland zu begleiten und für Koch zu sorgen. Die Japanerin Hana wird 1910 in Baden-Baden der letzte Mensch sein, der Koch lebendig gesehen und gesprochen hat.
1912 und kurz vor Ausbruch des I. Weltkrieges kehrt Hedwig als junge Witwe noch einmal nach Japan zurück. Sie, der man als emanzipierte deutsche Frau in Japan so manchen kulturellen Faux pas nachsagte, sorgte gemeinsam mit Kitasato für die bis heute anhaltende Würdigung und Verehrung Kochs in Japan und die Archivierung seiner Reise-Mitbringsel, die sie später dem Märkischen Museum übereignete und die daraufhin der Humboldt-Universität, die aus diesem Nachlass zu DDR-Zeiten wiederum das Robert-Koch-Museum in der Dorotheenstraße gründete. 2012 wurde das Museum geschlossen, das Material befindet sich nun im Archiv der Humboldt-Universität. Genau einhundert Jahre vorher, 1912, wird in Hedwigs Beisein in Kamakura ein Gedenkstein für Koch enthüllt. 1914/15 kehrt sie nach einer Asienreise wieder nach Kamakura zurück, um ein Haus zu kaufen für ihren Lebensabend in Japan, an dem Ort, an dem sie mit ihrem Mann am glücklichsten war. Doch die Finanzkrise in Deutschland zwingt sie zur Rückkehr in die Heimat. Nach dem I. Weltkrieg unterstützt Kitasato sie finanziell. In den letzten Tagen des II. Weltkrieges stirbt sie bettelarm.
Jährlich am 27. Mai, Kochs Todestag, wird am Koch-Kitasato-Schrein eine feierliche Gedenkzeremonie mit wissenschaftlichem Vortrag abgehalten.

Ich danke dem Gestalter Michael Otto, Frau Ôkubo und Herrn Mori vom Kitasato-Archiv in Tokio und Frau Hornbogen vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene der HUB für die Hilfe bei der Recherche und Gestaltung der Ausstellung.

Koch - Kitasato Schrein 2008
Koch – Kitasato Schrein 2008
Koch - Gedenkstein in Kamakura
Koch – Gedenkstein in Kamakura


Der Bakteriologe im Kimono - HUMBOLDT 5.06.08
Der Bakteriologe im Kimono – HUMBOLDT 5.06.08

RKI – Robert Koch – Freund und Mitstreiter – Shibasaburo Kitasato und Robert Koch
https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Geschichte/Dokumente/RK_und_Kitasato.html


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